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Der Raubmörder Holzknecht-Seppl

Es waren einmal zwei finstere Gesellen, alle beide Holzfäller von Beruf und im Volksmund „Neunfingerl“ und „Holzknecht-Seppl“ genannt. Wenn sie nicht gerade in den Wänden des Stuhlecks Holz schlugen oder wieder mal wegen einer neuerlichen Missetat im Gefängnis saßen, so trieben die beiden im ganzen Joglland und darüber hinaus ihr Unwesen.

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Besonders übel spielte dabei der Holzknecht-Seppl den Menschen mit. Nicht nur, dass er stahl und raubte und plünderte, was das Zeug hielt, nein, er trachtete manchen seiner Opfer auch nach dem Leben.

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Einmal – im Jägerhaus auf dem Pfaffensattel – ermordete er die Frau des Jägers mitsamt ihren Kindern. Nur ein vierjähriges Mädchen vermochte das Herz des Raubmörders zu rühren, als es ihn anflehte:

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»Bitte, bitte, tu mir nichts!«

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Tatsächlich schien es, als wollte der Holzknecht-Seppl dieses eine Mal Milde walten lassen. Bis er das Mädchen fragte: »Sag … kennst du mich eigentlich? Weißt du denn, wer ich bin?«

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Als das Mädchen, ehrlich wie es nun mal war, wahrheitsgemäß antwortete und bejahte und mit dem Kopf nickte, war es um sein Leben geschehen. Der Holzknecht-Seppl wollte nicht, dass ihn das Kind später verriet. Also warf er dem Mädchen einen Polster über den Kopf und erstach es.

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Ein andermal – es war dies am Feistritzsattel – begegnete ein Glasträger dem Holzknecht-Seppl. Erst drohte der Räuber dem armen Mann mit dem Tod, dann aber zeigte er sich von seiner gnädigen Seite und sagte:

»Also gut, ich will dich verschonen. Aber nur, wenn du dich auf diesen Baum hier begibst. Mitsamt deiner ganzen Last.«

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Überglücklich, mit dem Leben davonzukommen, tat der Glasträger wie geheißen. Mitsamt seiner ganzen schweren Last kletterte er mühevoll den Baum empor, einen Ast um den anderen erklomm er. Als er schnaufend oben angelangt war, zog unten der Holzknecht-Seppl seine Pistole unter dem Wams hervor, lachte laut auf und schoss den Mann vom Baum.

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»Das war mein schönster Mord«, knurrte der Holzknecht-Seppl, als er später vor dem Richter stand und endlich seiner gerechten Strafe entgegensah. Bloß, wie war dieser gefürchtete Raubmörder überhaupt erwischt worden?

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Das kam so:

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Eines Nachts – es war die Fastnacht – drang der Holzknecht-Seppl in das Haus des Hinteren Schlöglbauern in Rettenegg ein. Dort war die Magd gerade auf dem Dachboden mit dem Bügeln beschäftigt. Sie hörte Schritte auf der Stiege, floh auf den Hausgang und wurde Zeugin, wie der Übeltäter eine Holztruhe aufbrach. Der Holzknecht-Seppl hatte nämlich davon gehört, dass der Bauer ein paar Tage zuvor Ochsen verkauft hatte. Und dieses Geld suchte er nun.

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Gierig auf Beute durchwühlte er die Truhe, wurde immer ungeduldiger und führte dabei Selbstgespräche. »Nix do, nix do!«, murmelte er, heimlich belauscht von der Magd, die ganze Zeit vor sich hin. Schließlich warf er im Zorn ein blaues Taschentuch ins Eck und suchte das Weite. Dass in genau diesem Taschentuch das Geld versteckt war, bemerkte der einfältige Holzknecht-Seppl nicht.

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Er floh nach Wenigzell, wo er in die Zisser-Taverne eindrang, raubte und mordete und auch das Haus anzündete. Danach kehrte er wieder nach Rettenegg zurück und erfuhr, dass die beiden Töchter eines anderen Bauern, vom Pfaffenhof, die ebenfalls Ochsen verkauft hatten, in dieser Nacht im Ort übernachten wollten. Beim Schicker-Wirt, heute als Retteneggerhof bekannt.

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Während der Holzknecht-Seppl dort wartete und mit einem Gast ein Kartenspiel anfing, um die Zeit totzuschlagen und einen günstigen Moment für sein schändliches Vorhaben abzuwarten, kamen jedoch Gendarmen, die jemand zu Hilfe gerufen hatte, der den gesuchten Raubmörder erkannt hatte.

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Und so war es ein für alle Mal vorbei mit der Räuberei und dem Morden des Holzknecht-Seppl. Er wurde zum Tod am Strang verurteil und gehenkt. Tage vor seinem Ende schrieb er in der Zelle dieses Gedicht, das uns überliefert ist:

 

»Es gibt kein schön’res Leben

Auf dieser weiten Welt

Als Straßenräuber werden

Und morden nur fürs Geld.

Es ist ja doch viel schöner

Zu sterben in der Luft,

Als elend zu vermodern

In einer Totengruft.«

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Märchenstunde
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